Schnipsel:
Die Illusion des freien Willens


„Damit es Willen und die Wirkung von Willen geben könnte, müßte es ein Wesen geben, das den einen ausübt und die andere erleiden müßte. Wenn es sich herausstellt, dass es keine derartigen Wesen gibt, dann kann so ein Ding wie Wille nur als Vorstellung existieren. Noumenal gesehen gibt es keinen Willen - weil es kein Ich gibt. Phänomenal gesehen ist allein Spontaneität nicht vom Willen bestimmt. Indem wir verstehen, was der Wille nicht ist, finden wir vielleicht den Weg zu jener Offenheit, wodurch der 'Wille' (der Nicht-Wille ist) uns (als scheinbare Objekte) befreien kann von der Gefangenschaft durch jene Identifizierung mit einer Objektivierung, die wir nie gewesen sind, nicht sind und niemals sein werden.”

(Wei Wu Wei: „Das offenbare Geheimnis”, Lüchow Verlag, S. 26)

Glossar:

Noumenon - nach Plato das „geistig Erkennbare”; im Denken von Wei Wu Wei zentraler Grundbegriff, der auf das Unbegreifliche, das Unnennbare, das Absolute deutet und totale Potentialität beinhaltet [somit das Gegenteil von Platons Begriff - Subhash]

Phänomen(on) - das Erscheinende, die Erscheinung, das Manifestierte; im Gegensatz zu Noumenon

Objekt - bei Wei Wu Wei das, was erscheint und ohne Eigennatur ist.

wu-wei (jap. mu-i) - „Nicht-Tun”; Grundprinzip und Ideal der taoistischen Lehre: absichtsloses, spontanes Handeln und Leben aus einer Haltung des Nicht-Eingreifens in den natürlichen Lauf der Dinge. [Nicht-Eingreifen in das, was ist - Subhash]

Wei Wu Wei - Das Pseudonym des Autors bedeutet „Tun (das) Nicht-Tun” und stammt aus dem Tao Te Ching des Lao Tse.


Subhash am 7. September 2000 um 08:55

Das ist der übliche und so folgenschwere Irrtum; damit entsteht Richtig und Falsch, Schuld und Verdienst:

Könnte „der Verstand” (Was ist das eigentlich?) entscheiden, ob er „STOP” sagt oder nicht, würde er nie (oder nur in äußerster Verzweiflung) „STOP” sagen. Denn das Ende der Orientierung an Gedanken kann nicht in „seinem Interesse” liegen. Darauf wurde oft genug hingewiesen.

Also:
  1. Du als eingebildete Person (und eine andere gibt es nicht) kannst gar nichts tun.
  2. Wenn wer was sagt, dann ist es der Verstand. Auch „göttliche” oder andere „Stimmen” sind nichts als Verstand.
  3. Was er aber sagt, denkt, will, vermeidet, das kann kein Verstand entscheiden. Das ist eine Manifestation des Noumenon (siehe „Schnipsel: Die Illusion des freien Willens”).
Subhash am 11. September 2000 um 12:45
 
Ich verstehe schon was du sagst, jedoch nicht im Zusammenhang mit diesem Beitrag.

„STOP” hingegen, liebe Monika, „STOP” find' ich gut. Bei jedem Gedanken…

Ich nehme an, du meinst mit „Stop” das gleiche wie Maharaj mit „Ich bin”. Da sind diese Augenblicke in denen „Ich Bin” bewusst wird.

Frage: Doch was kann ich hier und jetzt tun?
Maharaj: Sie können sich ihrer Existenz, Ihres Seins gewahr sein, hier und jetzt.
Frage: Das ist alles?
Maharaj: Das ist alles, mehr gibt es nicht zu tun.

Der Verstand sich dem „Ich Bin” erinnern. Wenn ich die Frage stelle „Wer bin ich?”; das, was ich dann sehe, ist Stille, da ist keine Person. Doch wer stellt die Frage? Wer?

Du kannst mir nicht einfach erzählen, dass es den Verstand nicht gibt, es gibt ihn genau so wie diesen PC hier vor mir (als momentane Erscheinung). Ohne den Verstand könntest du meine Zeilen gar nicht lesen. Wir haben einen Verstand genau so wie einen Körper, wir sind aber nicht der Verstand oder der Körper, das habe ich begriffen, wer hat es begriffen?

Indem wir verstehen, was der Wille nicht ist, finden wir vielleicht den Weg zu jener Offenheit, wodurch…

Wer ist wir?

Ich würde mich freuen, wenn du näher auf das „Stop” eingehen würdest.
Norbert am 11. September 2000 um 13:52
 
Lieber Subhash, danke!
Ich finde, es kann gar nicht oft genug drauf hingewiesen werden. Die Illusion vom freien Willen ist sooo hartnäckig, die Folge (Schuldempfinden z.B.) so schlimm.

Aber was sonst kann getan werden als hinweisen?
Damit will ich sagen: Auch für mich ist das noch Theorie, die ich zwar mittlerweile für wahr halte - aber so empfinden, „es leben”, drin entspannen (wie es so schön oft gesagt wird) tue ich nicht.
be am 11. September 2000 um 13:11
 
…wer oder was ist es der Stop sagt, wenn nicht der Verstand?

Da kommen unablässig Gedanken „angeflogen”.

Es ist doch nur ein Konstrukt, dass diese zusammen den Verstand ausmachen. Schau doch mal nach: Hast du Macht über deine Gedanken? Kannst du bestimmen: Jetzt will ich dies denken, in einer Stunde das?

„Stop” ist ein Gedanke, der herbeifliegt. Er wird akzeptiert oder nicht akzeptiert. Wer ist es, der über das Akzeptieren bestimmt?

Du? Dein „Verstand”?

Oder eine Bereitschaft, die nicht von dir kommt?
be am 11. September 2000 um 14:54
 
Wenn ich Subhash richtig verstanden habe, dann hätte das alles was hier geschieht, diese Foren, inklusive deiner De Mello Geschichten absolut keinen Sinn, außer vielleicht das da „jemand” ist, der sich über Besucherzahlen freut :-)

Norbert am 11. September 2000 um 18:11 Beginn

Sinn, Sinn!
Der Verstand dreht sich im Kreis, Sinn macht für ihn nur, was er versteht.

Nur, weil es der Verstand nicht von sich aus tut, sondern es durch ihn getan wird, heißt das nicht, das es nichts bewirkt. Alles, was geschieht, ist durch „Gott” bewirkt (sogar der Verstand).

Subhash am 11. September 2000 um 22:01 Beginn

Wir könnten genau so gut im Sandkasten spielen oder uns Börsentips geben.

Schau doch mal nach: Hast du Macht über deine Gedanken?

Ja, in gewisser Weise schon.

Ich kann mir vornehmen zwanzig mal Be oder Krishna zu sagen. Ich kann gedanklich eine Reise zum Mond machen. Und ich kann mich fragen „Wer bin ich?” und darin verweilen. Kannst du das nicht auch?

Norbert am 11. September 2000 um 18:11 Ende
 

Aha.
Nein, Norbert, Du kannst Dir gar nichts vornehmen.

Woher kommt der Vorsatz? -
Das wissen wir nicht. Es geschieht einfach. „Er wird Dir gegeben.”

Aber solange Du Dich für die Person eines Täters hältst, bist Du unfrei und eine Marionette der Umstände. Allerlei Karma unterworfen.

Subhash am 11. September 2000 um 22:01 Ende

Lieber Norbert,

jetzt versuche ich gerade, dem Verstand zuzuschauen, und frage mich: „Wo soll ich denn hinschauen??”
Da sind Gedanken, Schlussfolgerungen, Entscheidungen,… , ach ja, auch eine Gedankenkonstruktion, die das Etikett „Verstand” bekommen hat.

Aber dieses Etikett tut eigentlich nichts, außer Etikett für eine Gedankenkonstruktion zu sein. Nun, jetzt habe ich mir einfach vorgenommen „Stop” zu sagen. Aber irgendwie hat dieses STOP nix mit dem besagten Etikett zu tun. STOP eben. Und dieses Vornehmen…, wer zum Henker hat denn das Vornehmen bewirkt? Es erschien eben. Wer oder was war nun der Auslöser dieser Erscheinung? Nun, ich werde mal mit „Virtual Maharaj” arbeiten und Dir das Ergebnis mitteilen. :-))

Alles Liebe, Gregor

Gregor am 12. September 2000 um 00:21

Wenn ich mir vorstelle, wie Dominosteine in einer Reihe aufgestellt sind, fällt der erste, dann reagieren alle anderen auch darauf (in dem sie umfallen).
Wenn ich sage „Ich habe Macht über meine Gedanken.”, dann ist das so, als würde ein Dominostein sagen: „Ich kann tun, was ich will.”

Bingo?

Norbert am 12. September 2000 um 11:31

Der erste Dominostein heißt

„ich” - die Person…

(sehr schönes Bild!!!)

be am 12. September 2000 um 11:41

Da würde ich widersprechen.
Das ist nur das, was sich jede Person gerne einbildet, dass sie Ursache und nicht Wirkung (und erst evt. sekundär Ursache) ist.

Die Erste Ursache ist unerkennbar.

Subhash am 14. September 2000 um 11:13

Jaa!

Ich habs anders gemeint: So, wie z.B. Parkin (nicht nur der) sagt: „Mit dem Ich-Gedanken entsteht die ganze Welt.”
Würdest du da auch widersprechen?

alles LIEBE

be     

be am 14. September 2000 um 12:13

Natürlich nicht.     

Subhash am 14. September 2000 um 14:01