Wenn man in einer Großstadt zu Fuß bei strahlendem Sommerwetter mit großem Fotorucksack und Stativ unterwegs ist, wird man schon ein wenig belächelt. Die Leute haben ihre zigarettenschachtelkleinen Digitalkameras in der Brust- oder Handtasche und verstehen nicht, zu welchem Zweck sich da jemand dermaßen abmüht. Wer aber einmal versucht hat, mit einem 600 mm-Ojektiv (Kleinbildäquivalent) ein Motiv so aufzunehmen, dass man noch halbwegs von Bildgestaltung sprechen kann, wozu das Motiv beim Anvisieren eben einigermaßen ruhig im Rahmen stehen bleiben muss, der weiß, dass ein Stativ auch bei heller Sonne nicht immer unnötig ist. Von dunklen Gassen oder gar Kirchen will ich überhaupt nicht reden. Und irgendwann geht auch die Sonne unter.
Die Schätze im Rucksack kann man gut gebrauchen, wenn man nicht von vornherein weiß, was genau einem über den Weg laufen wird. Ein Brennweitenbereich von knapp 1:43 hat allerdings einiges an Volumen und Gewicht. Da ist ein Rucksack schon gut.
Natürlich können die meisten Fotograf*innen einer Stadt wie Prag in 2 Tagen fotografisch nicht einmal annähernd gerecht werden. Auch ich konnte es nicht. Die touristischen Motive habe ich – wie man sieht – nicht vermieden, aber ich wollte auch keine umfangreiche Sammlung der ohnehin schon tausende und davon dutzende Male nahezu perfekt abgelichteten Ansichten erstellen. So zeige ich hier 10 ausgewählte Fotografien, die nur kleine Blitzlichter auf das bekannte Prag werfen, von denen ich aber hoffe, dass sie etwas ungewöhnlichere Aspekte zeigen können.
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Zu den Bildern
Bild 1 – „Sonnenuntergang auf der Karlsbrücke”
Ich finde es reizvoll, ein Sujet, das nach Farbe zu rufen scheint, in Graustufen umzusetzen. Sonnenuntergänge gehören definitiv dazu. Hier war das Stativ unverzichtbar. Durch eine lange Belichtungszeit konnten die Köpfe der Tourist*innen auf der Karlsbrücke, die sonst am unteren Rand gestört hätten, verwischt und dadurch zurückgenommen werden.
Bild 2 – „Schöne Aussicht auch für Enten”
Vor Sonnenaufgang aufzustehen bringt sanftes, weiches Licht und wenige Menschen. Eine Ente befand sich aber schon an einem Aussichtspunkt am Hradschin. Mir ist nicht bekannt, was ihre Aufmerksamkeit so erregte, aber ich konnte dem Schnappschuss nicht widerstehen.
Bild 3 – „Kubistisches Stiegenhaus”
Im „Haus zur Schwarzen Madonna”, dem ersten kubistischen Wohnhaus Prags, befindet sich nicht nur ein kubistisches Museum, sondern auch das berühmte „Café Orient”. Das Stiegenhaus sehen Sie hier.
Bild 4 – „Veitsdom (Detail)”
Gotik, Renaissance, Barock, ja sogar Jugendstil (Mucha-Fenster) sind in diesem Bauwerk vereint. Die Fotografie zeigt ein Detail des Domes, der nach nahezu 600jähriger Bauzeit erst 1929 nach den alten Plänen für beendet erklärt wurde. Viele Bildebenen, die Tiefe erzeugen, groteske Wasserspeier, wolkenloser Himmel.
Bild 5 – „Wasserspeier (Veitsdom)”
Mit dem Bildwinkel eines 600 mm-Kleinbildobjektivs vom Stativ aufgenommen. Trotz sorgfältiger Bildgestaltung mussten noch störende Elemente durch Beschnitt entfernt werden.
Bild 6 – „Veitsdom Westfassade (Detail)”
Der Blick nach oben, der bunte, dunkelblau-gelbliche Stein und das nahezu schattenlose Licht betonen diese etwas düstere Stimmung, die Gotik in mir hervorruft. HDRI aus 4 Aufnahmen.
Bild 7 – „Dach (Detail)”
Immer wieder fiel mir diese Dachlandschaft ins Auge. Elemente verschiedener Kunststile und ein reizvoller Farbkontrast.
Bild 8 – „Jugendstilgeländer am ,Repre’”
Auch diese Fotografie hätte eine Schwarzweiß-Umsetzung erlaubt, aber langsam will ich mehr Farbe ins Bild bekommen …
Bild 9 – „Lennon-Wall (Detail, 1.5.’12)”
… die hier beinahe unverzichtbar ist. „Lennon statt Lenin”, früher Ausdruck oppositioneller Einstellung, heute Mainstream und in Reiseführern erwähnte Pilgerstätte.
Bild 10 – „Blick am Morgen Richtung Süden zur Manes-Brücke”
Wesentlich zartere Farben um 8 Uhr früh im Gegenlicht. Die Sonne begann endlich zu wärmen und so war langsame Aufmerksamkeit ein angenehmer Zustand bis das Verlangen nach einem Frühstück stärker wurde.
Alle Aufnahmen
mit der Spiegelreflex-Kamera Olympus E-5 und folgenden Zuiko-Objektiven:
7-14 mm, f/4
12-60 mm, f/2.8-4
70-300 mm, f/4-5.6
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„Prager Bahnhof“
So lieb und schön auch die Stadt Prag ist – ich war mit einer Pragerin verheiratet – so lege ich Wert darauf zu sagen, dass die Bezeichnung „Prager Bahnhof“ mangelhaft ist.
Es gehört die richtige Nennung „Hl.n./Hlavni nadrazi“ = Hauptbahnhof. Dazu sei erwähnt, dass dies aus der Zeit der Errichtung, wie in Wien, auch der Franz Josef-Bahnhof war. Dieser wurde nämlich erst viel später als andere Prager Bahnhöfe, mit dem Bau der Kaiser Franz-Josefs-Bahn von Wien über Gmünd nach Pilsen-Eger (Hauptstrecken-Ast) und Gmünd-Prag (Abzweigbahn) erbaut. Ursprünglich als Abzeigbahn gebaut, erwies sich die KFJB aufgrund ihrer um 54 Km kürzeren Streckenführung gegenüber der Nordbahn über Brünn als konkurrenzierende Hauptbahn zwischen Wien-Prag-Berlin.
In der Gegenwart – ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des eisernen Vorhang – ist die FJ-Bahn in die Bedeutungslosigkeit einer Regionalbahn abgesunken, auf der jahrzehntelang der Paradezug VINDOBONA fuhr und nun mit Ende dieses Fahrplanjahres im Dezember endgültig Geschichte wird. DIE „DIRETISSIMA“ der drei zentral- und mitteleuropäischen Metropolen auf einer Entfernung von 730 Km (Vergleich Wien-Innsbruck) schrumpft auf die zwei Städte an der Moldau und Donau zusammen, ein Debakel in der Eisenbahngeschichte.
LG Gerald Hohenbichler.