Die Welt sehen

Subhash: «Cielo negro #117_2»

«Cielo negro #117_2»

Die Welt ist die Welt, weil du weißt, welche Anschauung erforderlich ist, sie dazu zu machen. Würdest du sie nicht durch Anschauung zu dem machen, was sie ist, dann wäre die Welt anders.

(frei nach Carlos Castañedas Don Juan)

In der deutschen Übersetzung des Originals („Reise nach Ixtlan”) heißt es statt Anschauung „Tun”. Das ist natürlich insoferne gerechtfertigt, als nicht nur körperliches Anschauen und eine geistige Weltanschauung dazu nötig ist. Aber hier in diesem Blog geht’s mir zu allererst um Fotografie, und die hat sehr viel mit Anschauung, geistiger und körperlicher, zu tun.
Dass die Anschauung der Welt, genauer das Tun, sie erst zu dem macht, was sie ist, das haben Propagandisten aller Zeiten sehr wohl gewusst. Nicht mit so weit reichenden Konsequenzen wie bei Carlos Castañeda, aber in Ansätzen durchaus. Sie haben immer versucht, die Weltanschauung der Leute zu beeinflussen, um ihre Interessen leichter durchsetzen zu können. Wir sehen das ja sehr gut bei der so genannten Berichterstattung über die aktuelle profunde Krise des Kapitalismus. Durch die einheitliche Darstellung wird die Durchsetzung der angestrebten politischen Vorhaben ohne große Störung und mit nur wenig Widerstand erreicht. Antonio Gramsci hat diese über Duldung hinausgehende, aktive Unterstützung von Herrschaft, auch durch die Beherrschten, „Hegemonie” genannt. Sie festigt Herrschaft einigermaßen dauerhaft, so lange sie besteht.
Fotografie hat mit Anschauung viel zu tun. Sie legt eine bestimmte Sicht nahe, betont Themen und negiert andere, gewichtet, lenkt ab, bestätigt, täuscht, … Sie zeigt keine Tatsachen, sie erzeugt sie.
Dessen sollte man sich bewusst sein, sowohl als Fotograf*in, als auch als Betrachter*in.
Und ebenso wie sie Hegemonie mitbegründen und unterstützen kann, kann sie stören und an einer Gegenhegemonie arbeiten. Und so wie Castañedas Nicht-Tun eine neue Welt eröffnet, öffnet das Verlassen der ausgetretenen photographischen Pfade die Tore der Wahrnehmung von neuem.

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