[Dieser Artikel beruht auf einem Teil eines Vortrages von Juan Carlos Houghton, Universidad Colegio Mayor de Cundinamarca, Bogotá, über politische und kulturelle Aspekte der indigenen Völker in Kolumbien und auf einem Seminar von Christian Cwik, Universidad Bolivariana de Venezuela, Caracas.]
Jorge Eliécer Gaitán war ein liberaler, kolumbianischer Politiker, der seit 1927 einen Sitz im Kongress innehatte. Er war ein volksnaher, manche sagen – wie bei Hugo Rafael Chávez Frías – populistischer Politiker, der alle Klassen ansprach, verschiedene Elemente (faschistische, sozialistische, kapitalistische, kommunistische) vereinte, daher ambivalent empfunden wurde, und auch autoritäre Züge hatte.
Gaitán wurde von der Gruppierung UNIR, die sich 1938 innerhalb der Partida Liberal (PL) gebildet hatte, als Kanditat für die Präsidentschaftswahl 1948 aufgestellt. Die Mutterpartei nominierte dagegen Gabriel Turbay, den auch die Kommunisten (PC) unterstützten, weil sie Gaitán für näher am Faschismus als am Kommunismus hielten. Heute gibt die PC zu, dass das ein politischer Fehler war. Die Spitze der PC wollte vor allem einen Sieg der Konservativen Partei verhindern und unterstützte daher die Liberalen, auch gegen Gaitán, der dieses Verhalten als neue oligarchische Tendenz sah, versuchte linke Kräfte aus beiden Lagern zu sammeln und eine Volksbewegung zu schaffen zusammen mit der mittleren bürgerlichen Schicht. Gaitán hätte die Präsidentschaftswahl mit Sicherheit gewonnen.
Am 9. April 1948 wird Jorge Gaitán getötet. Der Täter wird als Polizist identifiziert. Die Tochter Gaitáns schwört bis heute auf eine Beteiligung der CIA. Die Liberale Partei behauptete, die Konservativen seien die Hintermänner gewesen, während manch anderer die PL selbst für die Drahtzieher hielt. Durch diesen politische Mord begann die so genannte Violencia, die bis 1957 andauerte und in gewissen Sinn der Beginn des Bürgerkrieges ist, der bis heute nicht beendet ist. Die Violencia kostete an die 300.000 Menschen das Leben. Bogotá wurde zu 60 % zerstört; Gewalt fand in ganz Kolumbien statt. In den Städten kämpften eher Liberale gegen Konservative, die sie für die Attentäter hielten, am Land Arm gegen Reich. Aus den “Privatarmeen” der Großgrundbesitzer, die ihre Privilegien natürlich nicht aufgeben wollten, entstanden die Paramilitärs, aus der zerfallenden Linken und liberalen Kämpfern speisten sich die Guerillabewegungen.
Gaitáns Ideen und die historischen Bedingungen ähneln in so manchem denen von Hugo Chávez, weswegen ich seine Geschichte im Zusammenhang mit meinem Interesse für Venezuela für bemerkenswert halte.