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(Anmerkung: In diesen Bericht sind Informationen eines Vortrages von Miguel Ángel Beltrán, Universidad Central, Bogotá, eingeflossen.)
Am 1. März ’08 wurde ein Lager der von den USA samt Gesinnungsanhängsel Europa und dem “US-Kasernenhof” Kolumbien (angeblich bis zu 20.000 Militärberater aus Nordamerika) so genannten “terroristischen Organisation” FARC durch kolumbianisches Militär bombardiert. Dabei kam die Nummer 2 der FARC, Raúl Reyes, ums Leben.
Tragischerweise war eben dieser Raúl Reyes Verhandler zur Freilassung weiterer 10 Geiseln. Auch von Ingrid Betancourt war die Rede.
Es ist dabei bezeichnend, dass hiebei von einem “Einsatz gegen Terroristen” gesprochen wird, wobei sogar das Rote Kreuz eine Anerkennung als Partei in einem Bürgerkrieg verlangte, was eine Entschärfung der Situation bedeuten, die Regierung Uribe allerdings zur Einhaltung des Völkerrechtes verpflichten würde. Durch das Bombardement und den Einsatz von Bodentruppen wurde die territoriale Souveränität von Ecuador verletzt, auf dessen Staatsgebiet sich das Lager 100 km von der kolumbianischen Grenze im Regenwald befand. Ein gewisser Erklärungsbedarf ist dadurch entstanden. Und was ließe sich nicht erklären und rechtfertigen durch den “Krieg gegen den Terror”?
- Tötung ohne Gerichtsverfahren? – Kein Problem! –
- Konzentrationslager “Guantánamo Bay”? – Ist ja für einen guten Zweck! –
- Folter? – Wenn’s nötig ist …
Man meint sich ins 3. Reich oder gar ins Mittelalter zu Inquisitionszeiten versetzt. Und alles im Namen von Freiheit und Demokratie.
Demokratie … – Auch die kolumbianische Regierung unter Álvaro Uribe sieht sich in einer langjährigen demokratischen Tradition, was ihr bei ihrem “Kampf gegen den Terrorismus” weitere moralische Legitimation bringen soll und leider häufig nur zu willig, auch von europäischen Medien, akzeptiert wird.
Somit wären ja wieder einmal die Figuren aufgestellt: Die Weißen, Guten: die kolumbianische Regierung samt Armee und den verbündeten USA (und so mancher möchte gerne auch noch die Paramilitärs dazuzählen) und andrerseits die Schwarzen, Bösen: die linken Guerilleros (und vielleicht doch die Paras?).
Woher kommt nun die Guerilla?
Was bezeichnet eigentlich der Begriff “demokratische Tradition” in Kolumbien tatsächlich?
In den letzten 25 Jahre wurden
- 4 Präsidentschaftskandidaten,
- 2 Gouverneure und um die
- 3.000 oppositionelle Politiker ermordet.
Es kam immer wieder zu heftigen Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten. Ein riesiger Repressionsapparat erhält den Status quo:
- 26 Millionen US $ pro Tag werden fürs Militär ausgegeben, das sind
- 20,- US $ am Tag pro Soldat, während
- 11 Millionen Kolumbianerinnen und Kolumbianer von weniger als einem Dollar pro Tag leben
- 39% keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben
- 97% der Bevölkerung nur 24% des Landes besitzen und
- 0,4% dagegen 61%.
Kein Wunder, wenn es hier zu Konflikten und Widerstand kommt.
Kolumbien hatte noch dazu eine lange Tradition interner Kriege (meist in Bezug auf die beiden Großparteien) zu erleiden: Zwischen 1880 und 1900 starb ein Zwanzigstel der Bevölkerung in 10 nationalen Bürgerkriegen und 20 lokalen Auseinandersetzungen. Die auf den Großgrundbesitz zurückgehenden beiden großen Parteien, die Konservativen und die Liberalen, konnten bei ihren Kämpfen nie einen eindeutigen Gewinner verzeichnen. Es wurden windige Kompromisse geschlossen und neue Verfassungen aufgesetzt, die immer wieder zu weiteren Auseinandersetzungen führten. Die “Violencia” in den 1940er- und 50er-Jahren forderte 180.000 bis 300.000 Todesopfer! Die gebrochene Generalamnestie der Militärregierung unter Gustavo Rochas brachte viele liberale Guerilleros, die ihre Waffen abgegeben hatten, ins Gefängnis oder gar ums Leben.
In den 60ern entstand eine neue Guerillabewegung, ermutigt durch den Erfolg der kubanischen Revolution und durch die Urbanisation des Landes. 1958 bis 1964 regierten abwechselnd Liberale und Konservative, während alle anderen Kräfte vom politischen Prozess ausgeschlossen, politische und soziale Reformen blockiert und Proteste kriminalisiert wurden. (Das erinnert sehr an die Punto-Fijo-Zeit in Venezuela.) Die Armee wurde als “Sicherheitsfaktor” ausgebaut.
In den 80er- und 90er Jahren des 20. Jhdts. wurde ein gerade begonnener Friedensprozess schnellstens von ultrarechts torpediert. Von der neu gegründeten Partei der FARC, der “Union patriotica” (UP), wurden 300 Funktionäre ermordet, woraufhin sich die FARC wieder in den Dschungel zurückzog, übrigens ohne den Waffenstillstand zu brechen. Die in den 80er-Jahren aus den Privatarmeen der Großgrundbesitzer entstandenen Paramilitärs, initiiert und ausgebildet in Israel und den USA, die Drogenbarone und die nationale Armee bekämpfen einander, haben aber auch gewisse Gemeinsamkeiten im Kampf gegen die Guerilla.
Die verstärkten Erfolge der Guerillabewegungen bringen den Präsidenten Pastrana zu Zugeständnissen (u. a. Landreformen) und zum Abtreten eines Gebietes in der Größe der Schweiz an die FARC („Farclandia”), 400 km von Bogotá in den Llanos (Tiefebenen). Im Februar 2002 folgt aber die Initiative “Tanathos” und “Farclandia” wird zurückerobert. Álvaro Uribe gewann die Wahlen 2002 mit dem Versprechen radikal gegen die FARC vorzugehen.
Die FARC hat fünf Mal erfolglos versucht in einen demokratischen Prozess einzutreten. Jedes Mal kam es zu gewalttätigen Repressionen gegen ihre Partei samt Ermordung ihrer oppositionellen Politiker. So wird verständlich wie schwer eine Entschärfung des Konfliktes ist, auch wenn eine andere kolumbianische Regierung Interesse daran hätte.
In der Definition des Konfliktes liegt auch die (angestrebte) Lösung :
Definition | Lösungsversuch |
---|---|
"Terror" (offizielle Version) | militärischer Sieg, Unterdrückung sozialer Bewegungen, wird von den USA mit Geld und den so genannten Militärberatern unterstützt |
"sozialer Krieg" | Reformen, größere soziale Gerechtigkeit |
"ökonomischer Krieg" gg. Kriminalität und Drogen*) | "Kampf gegen Drogen" |
*) etwa 30 – 40% der Kolumbianer sind mehr oder weniger in Drogengeschäfte verwickelt (Schätzung)
- Ein Artikel von Carlos Troger:
Kriegsherr Bush auf seiner letzten göttlichen Mission (PDF, 105 KB) - Bolivarische Erklärung anlässlich der Kundgebung vom 6. März 2008 (PDF, 70 KB)
(Zuletzt geändert am 17.10.'09 um 19:08)
Am 10. März 2008 um 09:10 Uhr
Hallo Subhash,
ganz wichtig finde ich noch die Information das die Farc sich selbst als Marxistisch-Leninistisch bezeichnet.
Um den Zusammenhang zu bewahren, so fordert das Rote Kreuz beide “Parteien” auf die Menschenrechte zu wahren.
Interessant finde ich das ich erstmals höre das Lager würde sich 100km statt wie sonst berichtet weniger als 2km von der Grenze entfernt befinden. Bei 2km war meine Reaktion in Anbetracht dieser Grenze auf der Karte “ach Gott ach Gott, ist ja dramatisch”, zumal das ja nicht die Grenze von Venezuela ist und Chavez da gleich überreagiert .Bei 100km sieht das schon anders aus. Es scheint sich da jeder das zu nehmen was er für seine Position braucht und es war dir ja auch ein Anliegen das zu erwähnen. Wir wissen es nicht, gell? Wir möchten das es so war!
Ansonsten ließt sich dein Artikel für mich wie von einem “Propagandaministerium” verfasst. Sorry.
Am 10. März 2008 um 10:03 Uhr
Ich weiß nicht, ob die 100 km oder 2 km stimmen. Ist auch völlig gleichgültig. Die Grenze dort ist unkontrollierbar (Regenwald); man kann das Lager Ecuador sowieso nicht vorwerfen.
Wenn ich mich monatelang um eine Entspannung bemühe und dann als Reaktion auf die Freilassung von mehreren Geiseln ohne Gegenleistung mehrere Morde geschehen, dann könnte auch ich “überreagieren”. Uribe braucht den Konflikt anscheinend um seine Wiederwahlmöglichkeit durchzudrücken. Ein Referendum gibt’s da ohnehin nicht, wir sind ja nicht in Venezuela. Und ein Rechtsstaat ist Kolumbien sowieso nicht, wie man wieder deutlich sehen konnte (soferne man auch hinschaut).
Propagandaministerium: Vielleicht sollte ich dem Herrn Präsidenten Chávez meine Kontonummer schicken? 😉
Bisher schreibe ich ja aus wohlwollendem Interesse, nicht aus monetären Gründen.
Am 10. März 2008 um 10:33 Uhr
Hallo Subhash,
es hat ja schon zwielichtige Gestalten wie dieser Uribe.
Ich hatte es nur ganz anders mitbekommen, was die Geiseln angeht. Anscheinend ist es gang und gebe bei der Farc Menschen zu entführen um so ihre Revoluton gegen Bares zu finanzieren. Da sind also Geiselfreilassungen quasi an der Tagesordnung. Nicht so scheinbar bei den prominenten Freilassungen die von Chavez in Szene gerückt wurden. Was da als Gegenleistung tatsächlich geflossen ist…?
Das ausgerechnet Betancourt, die nun seid 6 Jahren festgehalten wird, deswegen nicht frei kommt, möchte man gerne in Szene setzen. Und wenn auch, warum eigentlich? Ist die Farc nun beleidigt?
Die Harte Linie von Uribi scheint dem Volk zu gefallen, es war sein Versprechen vor seiner Wahl da aufzuräumen.
Von unserem europäischem Verständnis von Demokratie ist das alles zweifellos weit entfernt auch wenn du z.B. Deutschland mit Birma vergleichst und da kaum Unterschiede siehst und dadurch das Wort “Demokratie” zu etwas wird das nicht mehr zu definieren ist.
Hast du eigentlich die Tagebücher gelesen:
http://farc.de/farc/thomas_kuenzel.html