Regeln oder nicht regeln?

Beispiel für den Goldenen Schnitt

Goldener Schnitt angewandt: bitte anklicken

Noch eine Regel, von der jeder ambitionierte Fotograf heutzutage schon gehört hat, ist „the rule of thirds”, die „Drittel-Regel”. Eine Bildkompostitions-Regel, die besagt, dass der Schwerpunkt eines Bildes auf einem der vier Punkte liegen soll, die sich durch waagrechtes und senkrechtes Dritteln der Bildfläche ergeben. Diese Regel vereinfacht (und verwässert) den Goldenen Schnitt, der in der Natur und bei den alten Malern weit verbreitet ist. Der Goldene Schnitt teilt eine Strecke so, dass das Verhältnis des längeren Teils zum kürzeren dem der Gesamtstrecke zum längeren entspricht. Für den Hausgebrauch ist eine brauchbare Annäherung 3:5, was bei 30 cm Länge eine Abweichung von 1,25 cm zur Drittelregel bedeutet. Kann man also mit freiem Auge sehen. Man sagt, dass eine Teilung im Goldenen Schnitt von den meisten Menschen als harmonisch empfunden wird, was ja durchaus auch stimmt.

Sind also Bilder, die den Goldenen Schnitt berücksichtigen, gut? – Das kommt darauf an.
Es kommt darauf an, was Sie erreichen wollen. Soll ein Bild Dynamik, Unruhe oder Dramatik ausdrücken, ist eine harmonische, ruhige Komposition wahrscheinlich nicht so gut. 1) Im neuen eBook von Andrew S. Gibson: „Beyond Thirds – A Photographer’s Introduction to Creative Composition” 2) beschreibt der Autor, der im übrigen eine ebenfalls sehr lesenswerte dreiteilige eBook-Serie zur SW-Fotografie bei Craft & Vision veröffentlicht hat, warum und wann es gut ist, diese Regel zu brechen. (Ergänzung am 2.9.’20: Dieses eBook scheint nicht mehr erhältlich zu sein.)
eBook „Beyond Thirds” von Andrew S. Gibson
Ich glaube ja nicht, dass man Gesetze erst kennen muss, um sie zu brechen. Vielleicht haben Sie den Goldenen Schnitt „im Gefühl”. Vielleicht haben Sie ohnehin ein intuitives Wissen um die Bildgestaltung, die dem, was Sie zeigen wollen, am besten entspricht. Ruhig und harmonisch, wirr und wild; je nach Bedarf. Dann brauchen Sie zusätzlich nichts darüber wissen; ja, das Wissen könnte sogar Ihren selbstverständlichen Ausdruck behindern, so wie in der Fabel mit dem Tausendfüßler, der dem Frosch erklären soll, wie er seine vielen Beinchen koordiniert ohne durcheinander zu kommen oder zu stolpern, und prompt nicht mehr zurecht kommt.
Wenn Sie aber auch dann Durcheinander in Ihren Bildern haben, wenn Sie eigentlich Ordnung ausdrücken wollten, oder stille Harmonie fotografieren, wenn Action Ihr Thema ist, dann sollten Sie sich vielleicht doch einmal mit Bildgestaltung befassen. Intuitives Wissen ist nämlich schul- und erlernbar. Noch dazu in diesem Fall der Komposition von Bildelementen, wo es eher um das Aufdecken dessen geht, was sie ohnehin schon verspüren, wenn auch bisher nur nachdem Sie den Auslöser gedrückt haben und das Ergebnis schon vor sich sehen.
Andrew S. Gibson zeigt in „Beyond Thirds” 2) vor allem auch, wann und warum Sie den Goldenen Schnitt bzw. die Drittel-Regel nicht anwenden dürfen, denn Regeln sind eben nicht immer und für alle Fälle passend.
Regeln oder nicht regeln? – Sowohl, als auch!

Anmerkung 14.1.2012: Zur Ergänzung ein Beitrag zur Fibonacci-Reihe.


1) Eine Photoshop-Aktion, die den Goldenen Schnitt und die Goldene Spirale einblendet, können Sie übrigens hier kostenlos downloaden.

2) Bis 20. November 2011, 8:59 Uhr bekommen Sie die PDF-Version von „Beyond Thirds” um 4 US$ (statt 5 US$), wenn Sie den Code „BT4” bei der Bezahlung eingeben oder Sie verwenden den Code „BT20” um fünf oder mehr eBooks von Craft & Vision zu kaufen und 20 % Rabatt zu bekommen.

 Aufrufe dieser Seite: 11.915

↓ Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert