Eine Gabe


„Was muss ich tun, um erleuchtet zu sein?”, fragte der wissbegierige Schüler.

„Die Wirklichkeit so sehen, wie sie ist”, erwiderte der Meister.

„Gut, und was muss ich tun, um die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist?”

Der Meister lächelte und sagte: „Ich habe gute Nachricht und schlechte Nachricht für dich, mein Freund.”

„Was ist die schlechte Nachricht?”

„Es gibt nichts, was du tun kannst, um zu sehen - es ist eine Gabe.”

„Und was ist die gute Nachricht?”

„Es gibt nichts, was du tun kannst, um zu sehen - es ist eine Gabe.”

(von Anthony de Mello)

Liebe Grüsse, Mimi  


Mimi am 9. September 2000 um 12:19

Kenn ich auch noch 'ne Geschichte:

Als Ramana Maharshi noch in der Virupaksha-Höhle lebte, stellte ihm eines Tages ein Sucher die Frage: „Meister, wie kann ich Gott sehen?” Die Antwort kam: „Gott kann man nicht sehen, Gott ist der, der sieht.”
annamalai am 9. September 2000 um 18:00
 

Als kleine Ergänzung:

Dag Hammarskjöld, der frühere UN General-Sekretär - drückte es so schön aus: „Gott stirbt nicht an dem Tag, an dem wir aufhören, an eine personale Gottheit zu glauben. Aber wir sterben an dem Tag, an dem unsere Leben aufhören, von der stetigen Strahlung des täglich erneuerten Wunders erleuchtet zu sein, der Quelle dessen, was jenseits aller Vernunft ist.” Wir müssen nicht über ein Wort streiten, weil „Gott” nur ein Wort, ein Konzept ist. Man streitet nie über die Realität, wir streiten nur über Meinungen, über Konzepte und Urteile. Lass deine Konzepte fallen, lass deine Urteile fallen, und du wirst das sehen.

„Quia de deo scire non possumus quid sit, sed quid non sit, non possumus considerare de deo, quomodo sit sed quomodo non sit.” Dies ist St. Thomas Aquinas' Einführung zu seiner gesamten Summa Theologica:
„Da wir nicht wissen können, was Gott ist, sondern nur, was Gott nicht ist, können wir nicht betrachten, wie Gott ist, sondern nur, wie ER nicht ist.” ... Und in seiner Questio Disputata de Potentia Dei sagt Thomas: „Dies ist das Ultimative im menschlichen Wissen über Gott - zu wissen, dass wir Gott nicht kennen.” Dieser Gentleman wurde als der Prinz der Theologen betrachtet. Er war ein Mystiker und ist heutzutage ein anerkannter Heiliger.

In Indien haben wir einen Sanskrit-Ausdruck für diese Art Ding: „Neti, neti.”

Es bedeutet: „Nicht dies, nicht das.” Thomas' eigene Methode wurde als die via negativa, der negative Weg bezeichnet…

„Ist Gott ein liebender Vater oder ein großer Vivisectionist?” Es gibt ziemlich gute Beweise für beides!

Ich erinnere mich, als meine eigene Mutter Krebs bekam und starb, dass meine Schwester zu mir sagte: „Tony, warum ließ Gott zu, dass Mutter dieses geschah?”

Ich antwortete ihr: „Meine Liebe, letztes Jahr sind in China eine Million Menschen an Hunger gestorben wegen der Dürre, und du hast niemals diese Frage gestellt.” Manchmal ist das beste, was uns passieren kann, um zur Realität zuu erwachen, dass uns Schwierigkeiten treffen, denn dann kommen wir zum Glauben, wie es C.S. Lewis tat. Er sagte, dass er nie irgendwelche Zweifel hatte, dass die Menschen nach dem Tode weiterleben, aber als seine Frau starb, war er dessen nicht mehr sicher. Warum? Weil es so wichtig für ihn war, dass sie lebte…

Lewis sagte auch in seinem Tagebuch, dass wir nicht das Geringste über GOTT wissen können und selbst unsere Fragen über Gott sind absurd. Warum? Es ist, als ob dich eine blind geborene Person fragen würde: „Die Farbe grün, ist sie heiß oder kalt?”
Neti, neti, nicht das.
„Ist sie lang oder kurz?”
Nicht dies, nicht das.
„Ist sie süß oder sauer?”
Nicht das.
„Ist sie rund oder oval oder quadratisch?”
Nicht dies, nicht das.
Die blinde Person hat keine Worte, keine Konzepte für eine Farbe, von der sie keine Vorstellung hat, keine Ahnung, keine Erfahrung. Du kannst zu ihr nur in Analogien sprechen. Egal was er fragt, du kannst nur sagen: „Nicht dies”.

C.S. Lewis sagt irgendwo, es sei dasselbe wie zu fragen, wie viele Minuten die Farbe gelb enthält. Jedermann könnte die Frage sehr ernst nehmen, sie diskutieren, darum kämpfen. Eine Person schlägt vor, da seien 25 Karotten in der Farbe gelb, die andere Person sagt: „Nein, 17 Kartoffeln”, und plötzlich kämpfen sie. Nicht dies, nicht das…

Das ist das Ulitmative an unserem menschlichen Wissen über Gott, zu wissen, dass wir nicht wissen. Wir denken, dass wir wissen, das ist unser Unglück, denn daher werden wir es niemals entdecken. Tatsächlich sagt Thomas Aquinus (er ist nicht nur ein großer Theologe, sondern auch ein großer Philosoph) unentwegt: „All die Anstrengungen des menschlichen Geistes können nicht einmal die Essenz einer einzigen Fliege ausschöpfen.”



Anthony de Mello, SJ

be - in Verehrung sowohl für deMellos als auch für Ramanas Lehren.

Master Teacher: „Das Problem, das der Mensch mit Gott hat, besteht schlicht darin, dass er überall ist.”



Englisches Original
be am 12. September 2000 um 13:03
 

Alles schon gesagt

So sprach Angelus Silesius (1624 - 1668) von Gott -
(aus dem acim-forum ausgebuddelt):

Gott ergreift man nicht.
Gott ist lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier (Ort und Zeit):
Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir.

In dir muss Gott geboren werden.
Wird Christus tausendmal zu Betlehem geborn
Und nicht in dir: du bleibst noch ewiglich verlorn.

Halt an, wo läufst du hin; der Himmel ist in dir:
Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.
be am 13. September 2000 um 08:39