Über das Gefühl es nicht zu schaffen

Anmerkung: Dieser Text wurde erstmals im Satsang-live-Forum publiziert. Die Zeit ist nicht mehr bekannt.

Das Gefühl, "es" nicht zu schaffen ...

Isabella

Wen meinst du, wenn du sagst, du könntest es nicht schaffen? Wer ist „du”? Meinst du die Vorstellung, die du von dir hast? – Wie könnte eine Vorstellung etwas schaffen? Meinst du, die Vorstellungen, die Andere von dir haben? – Auch deren Vorstellungen von dir haben es also nicht geschafft. Wie könnten sie auch?

Was hat denn eigentlich irgendjemand jemals geschafft?

„Franz Jonas baute diese Brücke”?

Gelogen. Es brauchte zehntausende Steuerzahler, Hochbauingeneure, die ihrerseits auf dem Wissen von Jahrhunderten aufbauen konnten, Arbeiter, die ernährt und großgezogen von ihren Eltern, halbwegs schwindelfrei waren und schließlich noch einen Steinmetz, der die Lüge in einen Stein, den Jahrmillionen geformt hatten, meiseln konnte. (Wer hat den Meisel gemacht?)

Franz Jonas hat gar nichts geschafft. Seinen Namen konnte er vielleicht schreiben unter den Auftrag. Das hat er in der Schule gelernt. Viele Leute haben gearbeitet, damit es diese Schule geben und er schreiben lernen konnte. Franz Jonas wusste das, er war ein bescheidener Mensch, ein Arbeiterkind.

Was also willst du denn schaffen und wozu?

Wer bist du überhaupt, dass etwas aus dir entstehen könnte?

Kannst du dein Herz schlagen lassen, deine Verdauung verdauen?

Mir kommt deine Angst sehr hybrid vor.

Erkenne, dass du keine Macht und noch nie irgendetwas geschafft hast. Erkenne, dass „du” nur eine Vorstellung ist und dein wahres Wesen leer und kein Gegenstand von Beurteilung und doch die Quelle von allem, was jemals geschaffen wurde!

Subhash

Zu der Diskussion, ob wir unsere Realität durch unsere innere Haltung, Einstellung beeinflussen (was hier von einigen sehr pauschal und undifferenziert strikt als esoterischer Klimbim abgekanzelt wird), möchte ich gerne noch etwas beisteuren ...

Marina

Subhash: Nun gut ... ich differenziere: Diese Ideen, die behaupten, dass wir unsere Realität beeinflussen, setzen voraus, dass es überhaupt jemanden gibt, der beeinflussen könnte. Sie hinterfragen diese Annahme auch nicht im geringsten, da es ja Common Sense ist, dass „wir” getrennte Wesen sind, eigenständig, mit freiem Willen versehen und in unsere Welt hineingestellt.

Das ist falsch.

Sobald nach dem eigentlichen Ich gesucht wird, das alles das wahrnimmt (Person, Welt, Schmerz, Realität, Gedanken, Wünsche usw. usf.), gibt es kein Ich mehr, das nicht alles wäre oder nichts. (Natürlich gibt es auch vorher keines, aber es wird eines imaginiert und es findet eine unbewusste Identifikation damit statt.)

Jede Art von Gedankenkontrolle ist sich der Identifikation mit einem Ich nicht bewusst.

Das Fatale an diesem esoterischem Unsinn ist, das er nicht nur ein Einzelwesen „Ich” suggeriert, sondern auch noch, dass dieses Ich irgendetwas aus sich heraus tun könnte. Und jeder ist stolz, wenn alles gut läuft in seinem Leben und schämt sich, wenn alles schief geht. Eine natürliche Folge dieses Irrtums.

„Du hast keine Macht, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.”

Ganz gefinkelte Denker argumentieren damit, dass das Ich letztlich Gott sei und daher könne man doch wohl annehmen, dass geschehe, was Ich will. Das ist natürlich nicht so, wie euch jeder beliebige Passant, wenn er gerade kein Positiv Denker ist, bestätigen wird.

Was ist überhaupt Wille? –

Bezieht sich Wille nicht immer auf Objekte der Wahrnehmung? Ist nicht die so genannte Dualität, die auf die Grundspaltung Ich/Nicht-Ich zurückgeht, Voraussetzung für jeden Willen? Wie darf ich also Gott und Welt vermischen, Ich und Gott gleichsetzen? Wie kann noch irgendein Ding gesehen werden, wenn Gott gesehen wird? Wie kann Ich noch irgendetwas wollen, wenn Ich Gott ist?

Es liegt bei dieser naiven Idee einfach eine unzulässige Vermischung der Kontexte vor. Entweder man denkt im Zusammenhang von Ich-und-der-Welt oder Ich ist verloschen und es bleibt Gott.

Ich aber hat gar keine Macht: 3 Minuten ohne Sauerstoff. Wie lange ohne Sonne? Ohne dauernde Bestätigung, dass es so ist, wie Ich denkt, dass es ist?

Und woher kommt denn dieser angeblich freie Wille, den in unseren Breiten jeder für sich reklamiert? Kann Ich denn denken, was Ich will? – Natürlich sagen einige vorschnell. –

Kann das Ich aber auch wollen, was es will? Wer gibt dem Positiv Denker seine positiven Gedanken ein? Woher kommen sie? Kann er, bevor er einen Gedanken denkt, entscheiden, ob er ihn denken wird?

Wie lächerlich, dieser Größenwahn!

Ich hoffe, es ist jetzt endlich klarer geworden, dass einfach alles, was geschieht, der „Wille” dessen ist, was wir „Gott” nennen. Dieser aber ist kein Ding, kein Objekt der Wahrnehmung. Es ist sein Wille, dass du willst, was du willst und dass dann geschieht, was geschieht, ganz gleichgültig, was du gedacht hast. Denn du bist nicht der Nabel der Welt, sondern weniger als ein Furz im Walde, denn du bist nur eine Idee! Eine Fiktion. Eine Einbildung. Ein Gedankenkonstrukt.

Isabellas ganzes Leiden ist nur Einbildung, um es einmal hart zu sagen!
Natürlich leidet sie trotzdem, sie glaubt wenigstens sie täte es, und mehr können wir auch gar nicht leiden als in unserer Vorstellung.

So lange sie aber nicht weiß, dass das, was sie Isabella zu nennen pflegt, nur eine weitere Erscheinung ist, wird ihr ihr Leiden sehr echt und berechtigt und aufrichtig erscheinen. Vielleicht hat sie auch Schuldgefühle deswegen, weil sie meint, sie mache sich nur was vor, sie dürfe gar nicht leiden und sei unaufrichtig. Ganz egal. In beiden Fällen unterliegt sie der Wahnvorstellung, sie hätte irgendetwas zu entscheiden. Sie hätte irgendeine Macht. Wie aber kann eine bloße Vorstellung Macht haben? Woher kommt denn diese Vorstellung? „Dort” liegt alle Macht! Nur dass dieses Dort kein Ort ist, auch kein Zustand und schon gar keine Gedankenübung.

Wird es Isabella oder sonst jemandem gegeben, dass sie erkennt, dass ihr leidendes Ich eine bloße Vorstellung ist und diese Vorstellung abfällt, dann ist alles klar und einfach, und niemand fragt ohne diesem fatalen Ich-Wahn nach einem freien Willen oder positiven Gedanken.

Mögen alle Wesen glücklich sein.

Subhash