Auflösung


Lieber Pavlos!

Ich bin gerade beim Subhash zu Besuch, und er hat mir ein bißchen über deine Emails erzählt, die du ihm geschrieben hast. Ich habe sie selber nicht gelesen und weiß nicht, ob ich richtig verstanden habe, worum es dir geht, aber ich schreibe dir einfach ein paar von meinen Gedanken. Vielleicht kannst du damit was anfangen.

Meine äußere Situation wird von manchen anderen als "schrecklich" angesehen. Ich habe 1 Million Schilling Schulden, keinen Besitz, bin geschieden und habe Verpflichtung für 2 Kinder Unterhalt zu zahlen, wozu ich nicht in der Lage bin. Ich habe eine Beziehung zu einer verheirateten Frau, die ich 2 mal in der Woche sehe, wobei es absolut keine Hoffnung gibt, dass sie je ihren Mann verlassen und mit mir leben wird. Ich habe seit 2 Jahren nicht mehr gearbeitet. Sollte ich je wieder arbeiten, hätte ich noch weniger Geld als jetzt. Ich werde in einem Monat meine Wohnung verlieren, weil ich nicht so viel Miete zahlen kann. Alle Anträge auf eine günstigere Wohnung wurden abgelehnt.

... Wie fühle ich mich in dieser Situation? Glückselig, ruhend im Sein. Ich bin dem Leben total dankbar, dass es mich durch den totalen Mißerfolg im äußeren Leben nicht dazu verführt hat, mein Glück von den Umständen abhängig zu machen. Ich hatte eine Zeit lang auch viel Geld und habe mir alle Wünsche erfüllt. Aber auf Dauer war nichts befriedigend. Dann legte ich meine Aufmerksamkeit auf die Emotionen, versetzte mich mittels NLP ein Jahr lang in euphorische Glückszustände. Auch das war nicht erfüllend. Dann versetzte ich mich ein Jahr in den Zustand der Liebe, indem ich jeden Augenblick nicht anders haben wollte, als er im Moment ist. Das war schon ganz nett, und es war fast unmöglich zu leiden, aber auf Dauer war auch das nicht erfüllend. Es kam wieder eine Sehnsucht hoch, die ich nicht weg machen konnte. Und dann fand ich Satsang.

Ich bin schon vor Satsang selbst zu den intelektuellen Erkenntnissen über die Natur der Realität/des Traums gekommen und somit war das nichts neues für mich, was die Satsang Meister schrieben. Außer dass es da eine Erfahrung geben sollte, die nichts mit mentalem Verständnis zu tun hatte. Mir war völlig klar, dass es das ist, was ich suchte. Und ich wußte aus Erfahrung, dass es im Äußeren, im Verstand und in den Gefühlen nichts gibt was es bringt, was wirklich befriedigend ist.

Ich begann meine Aufmerksamkeit von allem abzuziehen und zu sehen, was übrig blieb. Ich hörte auf, verstehen zu wollen. Es war klar, dass Gedanken nur das beschreiben können, was ich nicht bin. Somit wurden die Gedanken weniger, und ich bemerkte immer häufiger bewusst, wann ich wieder einem Gedanken glaubte und mich dadurch wieder identifizierte und verwickelte.

Alle Gedanken außer ICH BIN oder ES IST sind Lügen, und nur dadurch, dass man ihnen glaubt, entstehen alle Probleme. Wenn also Gedanken auftauchen wie "Ich will, dass etwas anders ist", ist völlig klar, dass das eine Lüge ist. Ich kann nicht wollen. Ich kann nur sein. Alles andere sind nur Dinge, die im Bewusstsein auftauchen und wieder verschwinden. Je mehr ich nur mehr bin, desto mehr habe ich das Gefühl der Auflösung. Raum, Zeit, ich, andere, all dies löst sich auf. Und obwohl es vom intelektuellem Verständnis dann niemanden gibt, der diese Erfahrung geniessen könnte, gibt es doch keine noch so schöne Erfahrung, die sich damit auch nur im geringsten messen könnte. Und es ist das einzige, was erfüllend und befriedigend ist.

Mein einziger Tip: Glaube deinen Gedanken nicht.
Alles Liebe, Chris


Chris Sakata am 26. März 2000 um 15:00

[…]
 

Also lieber Gregor,

dass Du Dich aber auch immer an Nebensächlichkeiten stößt, lässt eigentlich noch nicht mal tief blicken, äh blecken, öh blöcken, ich mein' blocken!

Aber jetzt eine Seriöse Erklärung für

„Kleine Frage unter Erleuchteten”:

Nachdem ich die herzzerreißende Geschichte von Chris Sakata mir angelesen habe – mal wieder eher unachtsam, als mit dem Herzen – bin ich noch kurzerhand (2 mal klicken, rote Pille und so) auf seine Page und habe gesehen, dass er indirekt behauptet, er sei erleuchtet. Ich dachte zunächst, schon wieder einer, der vor seinem alltäglichen Chaos flüchtet, und behauptet erleuchtet zu sein. Kurzerhand wieder zurück (3 mal klick) und obengenannten anstößlichen Text geschrieben, dann über einige Umwege (E-mails, The Guru List, etc., nochmal zurück und den Text von Chris gelesen) und gemerkt:

Kann gar nicht sein, der ist erleuchtet! Und das mein' ich jetzt im Ernst! Aber was bedeutet das schon! Ich bin's nicht! Und das mein' ich jetzt im Ernst! Aber was bedeutet das schon! Wenn Erleuchtung eine reine Flucht vor den Phänomenen wird, oder Unwisseheit gegenüber den Phänomenen, dann ist das eben die berühmte Anhaftung an die Leerheit und einen Scheißdreck wert.

Ich jedenfalls – schönen Gruß an Subhash – bin identifiziert und merke, das ist mir scheißegal, im Gegenteil, ich genieße das sogar, und hin und wieder muß ich kotzen deswegen, und dass es Erleuchtung gebe, ist doch eh nur 'ne Hypothese. Das eine Bewusstsein, das ich nicht lache; ich vermute, dass die sogenannten Erleuchteten auch nur Ihre eigene subjektive Sphäre schauen und glauben, das sei allgemeingültig.

Was ich für 'nen Erleuchteten bin, ist eigentlich eher sein Problem und nicht meins. Ich meine, es gehört nicht nur ganz schön viel Mut dazu erleuchtet zu sein, sonder auch nicht erleuchtet zu sein.

Also, lieber Gregor, lassen wir die Nebensächlichkeiten.

im übrigen finde ich „unsere” Konversation doch ziemlich gut, auch wenn es manchmal anders klingt. Du bist hartnäckig, und das tut meinem anmaßenden Geist ein bisschen auf die Sprünge helfen.
Dein Pavlos

Pavlos am 27. März 2000 um 12:16